Das Verhältnis der Stadt Oranienburg zum Konzentrationslager

Meine Gruppe sollte sich die Ausstellung zum Thema „Stadt und Lager“ ansehen und anschließend einen kleinen Vortrag halten über das Verhältnis zwischen den Bewohnern der Stadt Oranienburg und dem KZ Sachsenhausen.

Unsere Ausstellung befand sich in einem der Wachtürme der Gedenkstätte Sachsenhausen. Als wir den Wachturm betraten, überkam uns erst einmal ein beklemmendes Gefühl. Der Wachturm war ziemlich klein und nur enge, schmale Treppen führten durch den Turm von oben nach unten und von unten nach oben. Das beklemmende Gefühl verstärkte sich, als wir bemerkten, dass überall in diesem Turm Kameras angebracht waren. Wir fühlten uns sehr beobachtet in diesem fensterlosen Turm und verunsichert, da wir nicht wussten, wo man sich hin setzen konnte.

Nach kurzem Zögern machten wir uns dann an die Arbeit und bemerkten, dass hauptsächlich Filme zu schauen und zu hören waren. Wir unterteilten das Thema in verschiedene Schwerpunkte und fingen an, uns Stichpunkte zu machen. (Wiebke)
Die Stadt und das Lager
Unser Thema „Die Stadt und das Lager“ unterteilten wir in verschiedene Unterthemen. Durch die in der Ausstellung zu hörenden Interviews mit den damals meist jugendlichen Zeitzeugen bekamen wir einen guten Überblick und konnten die einzelnen Themen sowohl verstehen als auch der Klasse angemessen vermitteln.

Ich befasste mich mit den beiden Unterthemen „Ankunft und Weg der Häftlinge“ und dem Thema „Das Lager und seine Grenzen“. Die Ankunft und der von den Häftlingen zu bewältigende Weg waren oft anstrengend. So wurden die meisten Häftlinge in Zügen nach Oranienburg gebracht. Der weitere Weg in das KZ Sachsenhausen wurde zu Fuß bewältigt, mehrere Kilometer waren zu laufen. Die Häftlinge liefen auf öffentlichen Straßen an den Wohnhäusern der Bürger vorbei.

Am 13.September 1939 wurde die Lüge verbreitet, die Häftlinge, die am Bahnhof ankämen, seien polnische Juden und am Bromberger Blutsonntag (3.9.1939) beteiligt gewesen. Dies war eine Reaktion auf den Überfall auf Polen (1.9.1939) gewesen, bei der nicht nur Juden, sondern auch nicht-jüdische Polen Opfer wurden. Als die Gefanfgenen also in Oranienburg ankamen, versammelten sich die Bürger an den Straßen, auf denen die Häftlinge marschierten, und beschimpften diese mit Ausrufen wie:„ Tötet die Bromberger Mörder!“ und bewarfen sie mit Holz, Glas und Steinen.

Nach diesem Vorfall beschloss die NS- Regierung, den Weg der Häftlinge ins KZ Sachsenhausen etwas versteckter zu halten. So wurden von nun an die Züge in den Bahnhof Sachsenhausen geleitet und die Häftlinge wurden vorbei an den SS- Häusern in das Lager geführt, bis auf ein paar Einheimische konnte nun niemand mehr sehen, wieviele Häftlinge ins KZ gebracht wurden und auf welche Weise.

Der damalige Ortspfarrer berichtete in einem Audiodokument, wie im Herbst 1941 ca. 13.000 Häftlinge den Weg ins KZ bestritten. Er erzählte, dass die SS- Männer meist schon gewaltbereit mit Peitschen und Hunden auf die ankommenden Häftlinge warteten. Sie gestalteten das Ganze als eine menschenverachtende Hetzjagd. Wer unterwegs zusammenbrach, wurde gnadenlos durch einen Genickschuss ermordet. (Solange)

Das Lager und seine Grenzen
Wie sich in der Ausstellung schnell erkennen ließ, war die SS überrascht von der geteilten Meinung der Bürger zur Misshandlung und Ermordung der KZ- Häftlinge in Sachsenhausen. Daher wurde beschlossen, das Lager weitestgehend von den Bürgern abzugrenzen, zum Beispiel mit Hilfe von hohen Mauern und Stacheldraht. Denn selbst im Jahre 1936 war das Lager Sachsenhausen noch sehr offen und man konnte die Häftlinge beim Arbeiten sehen.

Ursula Kilian, eine Zeitzeugin erzählte, dass, obwohl es offiziell verboten war, sie von ihrer Wohnung in der Jägerstraße an manchen Tagen bis zum großen Apellplatz sehen konnte. Dort mussten die Häftlinge manchmal den gesamten Tag in der Sonne stehen.

In den Interviews mit den Zeitzeugen wurden auch andere drastische Beispiele genannt, in denen allerdings immer dieselbe Vorschrift deutlich wurde: „ Nicht schauen oder stehen bleiben, sonst drohen Schüsse! „.(Solange)

Die Selbstdarstellung der SS

Neben dem Konzentrationslager befand sich in Sachsenhausen auch ein Ausbildungs- und Truppenlager für SS-Männer, deshalb arbeiteten 2632 SS-Männer dort.

Die SS präsentierte sich als normaler Verband in Sachsenhausen und Oranienburg. Sie luden die Bürger aus Oranienburg und Sachsenhausen sogar zu einem „Tag der offenen Tür“ in ihre Kaserne ein. Außerdem nahm die SS an kulturellen Ereignissen teil, wie z.B. an Fußballspielen, bei denen die SS-Fußballmannschaft oder Handballmannschaft gegen Vereine aus Oranienburg und Sachsenhausen antrat. (Wiebke)
Nachbar SS

Die SS-Männer lebten mit ihren Familien Haus an Haus mit den Bürgern von Oranienburg und Sachsenhausen. Es gab viele SS-Männer in Sachsenhausen und Oranienburg, da das auf dem Gelände des KZs gleichzeitig ein Ausbildungs- und Truppenlager war. Daher wurden sogar zwei SS-Siedlungen gebaut. Die SS-Angehörigen, z.B. die Familien, lebten ein normales Leben in der Stadt: Die Frauen der SS-Männer lernten auch die Frauen der anderen Männer kennen und die Kinder lernten mit den Kindern der SS-Männer gemeinsam in der Schule.

Eine Zeitzeugin erzählte, dass Gustav Sorge, ein SS-Offizier, der von den Häftlingen immer „Eisen Gustav“ genannt wurde, weil er für seine sehr brutale Art bekannt war, keine Kaninchen schlachten konnte und die Mutter der Zeitzeugin dies für ihn erledigt hat. Die Zeitzeugin erschreckte dies, da Gustav Sorge keine Kaninchen umbringen konnte, aber Menschen quälte und sie umbrachte.

Die jungen Frauen trafen die jungen, gut aussehenden Männer der SS beim Tanzen und bei kulturellen Veranstaltungen. Dadurch kam es auch sehr oft zu Eheschließungen zwischen jungen SS-Männern und jungen Frauen aus Oranienburg oder Sachsenhausen. Die Eheschließungen mussten erst in Berlin beantragt werden und die Frau musste Untersuchungen über sich ergehen lassen, um zu sehen, ob sie die Kriterien einer „Deutschen Frau“ erfüllte. (Wiebke)
Die Zwangsarbeit der Häftlinge

In den ersten Jahren mussten sich die Häftlinge vor allem um den Aufbau des Konzentrationslagers und die eigenen Wirtschaftszweige der SS sowie um die Rüstungsarbeiten kümmern. Die SS führte die Häftlinge täglich zu den Arbeitsplätzen durch die Stadt, wodurch es natürlich zu Begegnungen mit den Bürgern kam. Oranienburger Zeitzeugen wissen zu berichten, dass die Menschen aus dem Konzentrationslager verhungert aussahen und den Blick nach unten richten mussten.

Ebenso ahnten die Bewohner, dass diejenigen, die die Häftlingskette verlassen würden, erschossen werden würden. In der Wachvorschrift war festgelegt, dass die Häftlinge keinen Kontakt zu Zivilisten haben dürfen, doch diese halfen trotzdem in Einzelfällen. Zum Beispiel steckten sie den Gefangenen Brot zu und bekamen dafür teilweise geschnitztes Spielzeug zurück. In den Betrieben waren Kontakte zu und Tauschgeschäfte mit Bürgern Oranienburgs viel einfacher. Doch wurde einer dieser Tauschhandel aufgedeckt, dann drohten hohe Strafen für die Bürger, teilweise sogar die Einweisung ins KZ.

Bei Kanalarbeiten zum Oranienburggraben war ebenso Kontakt ebenso möglich, da die „Bewacher“ sehr viele Häftlinge zu überwachen hatten. Als Berlin und Oranienburg bombardiert wurde, mussten die Gefangenen von Sachsenhausen die Bomben entschärfen, da sie für die SS keinen Wert hatten und der Tod von einem Häftling kein Verlust war. (Marei)
Der Tod im Lager

Die SS war im Konzentrationslager Sachsenhausen für mehrere 10.000 Menschen verantwortlich. In den ersten Jahren wurden die Toten im Standesamt Oranienburg dokumentiert. Bis zur Einrichtung von einem eigenem Standesamt 1942 wurden 5000 „Sterbefälle“ registriert. Die Standesbeamten bemerkten höchstwahrscheinlich die Verbrechen, obwohl die Toten meistens als „herzkrank“ erklärt wurden. Die SS wollte durch die Einrichtung eines eigenen Standesamtes die Todeszahlen „verheimlichen“.

Erst wurden die Toten auf Berliner Friedhöfen beerdigt, ab 1940 im Lager verbrannt. Die Leichenverbrennung konnte nicht geheim bleiben, da schwarzer Rauch in den Himmel stieg. Außerdem war der Geruch von verbranntem Fleisch überall zu riechen. Besonders bei schönem Wetter war der süßliche Fleischgeruch aus den Krematorien nicht zu ertragen. Viele Oranienburger nahmen an, dass die Häftlinge wegen der schlechten Behandlung starben. Als die SS im Herbst 1941 10.000 Russen erschoss, war der schwarze Rauche noch 10 Wochen über dem KZ zu sehen. Zu den Oranienburgern sickerte durch, dass im Konzentrationslager Menschen vernichtet wurden. Allerdings wurde in Berlin beschlossen, dies zu dementieren. (Marei)
Todesmärsche und Befreiung

Die „Evakuierung“ von Sachsenhausen begann am 21.4.1945, nachdem man wusste, dass die Rote Armee im Anmarsch war. 30.000 Häftlinge mussten an diesem Todesmarsch Richtung Ostsee teilnehmen. Da die Bürger aus Sachsenhausen und Oranienburg selber auch vor der Roten Armee flüchteten, sahen sie auf dem Weg die Häftlinge, die auf dem sog. Todesmarsch waren. SS-Männer erschossen die schwachen Häftlinge auf offener Straße.

3.000 schwache und kranke Häftlinge blieben im KZ-Sachsenhausen zurück. Zwischen dem 22.-23.4.1945 kam die Rote Armee und befreite diese Häftlinge. Die zurück gebliebenen Bürger in Sachsenhausen und Oranienburg hatten Angst, dass sie auch bestraft werden würden, da sie dicht am KZ gewohnt hatten und den Häftlingen nicht geholfen hatten. Aber die Bestrafung blieb aus.

Am 29.4.1945 lud die Rote Armee die Einwohner Sachsenhausens und Oranienburgs ins KZ-Sachsenhausen ein, damit sie sahen, was in ihrer unmittelbaren Nähe geschehen war. Die Einladung wurde aber von den meisten Bürgern nicht angenommen, deshalb mussten die jungen und arbeitsfähigen Einwohner im befreiten KZ arbeiten. Sie pflegten die kranken Häftlinge und kochten für diese. (Wiebke)